Geld stinkt nicht

Gold aus Stroh zu spinnen funktioniert nur im Märchen, aber aus Fäkalien kann man tatsächlich viel Geld machen.

Von Volker König, Sachkundiger Bürger im Abwasserausschuss

In meiner Kindheit war es unser Dauerwitz, „Landluft macht lustig“ zu rufen und los zu lachen, wenn es nach Gülle roch.

Heute denkt man eher an die Gefahren, die von Gülle ausgehen. Einmal sind Giftstoffe in diesem Gemenge aus Tierexkrementen enthalten, dazu kommen die Klimagase Kohlendioxid und Methan und Medikamentenreste wie zum Beispiel Antobiotika.

Besonders im Focus steht aber die Belastung der Böden durch Nitrate. Nitrate sind der düngende Anteil der Gülle.

Der Kreis Viersen hat letztes Jahr einen 5-Punkte-Plan beschlossen, um die Belastung des Bodens und Grundwassers durch Nitrate zu senken. Hohe Nitratwerte im Grundwasser führen unter anderem zu erhöhten Kosten für die Trinkwasseraufbereitung und gehen uns alle etwas an.

Der 5-Punkte-Plan enthält Forderungen an die Landesregierung, den Kreisen und Gemeinden endlich Gestaltungsspielräume zu geben. Ohne Gesetz haben Kreis und Gemeinde keine Macht.

Der Kreis ist nicht einmal befugt, stichprobenartig zu kontrollieren, was da eigentlich auf die Felder gekippt wird – das darf nur die Landwirtschaftskammer. Lediglich wenn Straftaten vermutet werden, kann er tätig werden.

Ende April 2019 schilderten uns nun zwei Damen aus Vorst, dass in der Nähe der Pumpstation am Flöthbach in kurzer Zeit mindestens sieben Gülletransporter auf einem Acker entleert wurden. Das erschien ihnen – aus Laiensicht – ungewöhnlich viel.

Eine der Damen schrieb eine eMail ans Ordnungsamt und erstmal passierte: Nichts.

Dann meldete sich das Ordnungsamt und informierte, dass es nicht zuständig sei, sondern man sich an die Untere Wasserbehörde wenden solle.

Untere Was?

Nachdem wir als Partei Anfang Mai davon erfuhren, machten wir von unserem Recht Gebrauch, den Vorfall als Tagesordnungspunkt für Ausschusssitzungen vorzuschlagen.

Zuständig wäre der Bau-, Energie-, Verkehrs- und Umweltausschuss (BEVU). Für die bevorstehende Sitzung war die Vorschlagsfrist jedoch verstrichen, die nächste Sitzung findet erst 9 Wochen später statt.

Also baten wir, das Thema wegen der Nähe zum Abwassernetz der Stadt auf die Tagesordnung des Betriebsausschusses des Abwasserbetriebes zu setzen. Die Pumpstation befördert nämlich das Abwasser aus Vorst in die Kläranlage Neuwerk, und wenn über das Regenrückhaltebecken der Pumpe Gülle in die Kläranlage gerät, kann das zu Schäden – und Kosten – führen.

Dann vergingen zwei Wochen bis zur Ausschusssitzung. Die Presse berichtete über unseren Antrag.

Gülle wird ausgebracht. Quelle: Myriams-Fotos bei Pixelio

In dieser Zeit informierte das Ordnungsamt selber die Untere Wasserbehörde beim Kreis Viersen, die auch diesen Vorgang zunächst an die Landwirtschaftskammer weitergeben musste. Mittlerweile kam von dort die Mitteilung an die Vorsterin, dass zu viel Zeit vergangen sei, um noch Verstöße gegen die Güllevorschriften festzustellen.

Das ist doppelt skandalös.

Da will der Kreis tätig werden können, kann es aber eben nur ordnungsrechtlich, wenn, wie hier, Verdachtsmomente vorliegen. Dazu hätte das Ordnungsamt die Mail aber eben sofort an die zuständige Behörde weiterleiten müssen. Dass die Untere Wasserbehörde am 8. Mai noch nicht vom Ordnungsamt informiert wurde, nachdem die Anzeige Anfang Mai erstattet wurde, ist im Zeitalter der eMail unbegreiflich.

Zum anderen hat die Landwirtschaftskammer NRW im vergangenen Jahr einen Güllemakler (ja, auch wie waren über die Existenz dieses Berufs erstaunt) bestraft, weil er Landwirten im Rheinland zu konzentrierte Gülle, zu „junge“ Gülle und auch wenigstens einmal Gülle, in die der Tierzüchter noch andere Abfälle geworfen hatte, anliefern ließ.

Noch erstaunter als über die Existenz von „Güllemaklern“ waren wir aber über die Summe, die der Unternehmer zahlen musste: Über 1,3 Millionen Euro! In der Summe war auch die Gewinnabschöpfung für seine illegalen Handlungen enthalten.

Wir haben es hier also mit einem Millionengeschäft zu tun, bei dem schwarze Schafe langsam, aber stetig unsere Lebensgrundlagen ruinieren.

Daher kam auch von den anderen Parteien kein Widerspruch, weil der eigentlich nicht zuständige Ausschuss das Thema auf der Tagesordnung hatte. Auch, wenn wir den Fall nur an den BEVU weiterleiten konnten, waren wir es den BürgerInnen schuldig, ihnen zu zeigen, dass wir am Thema dran sind.

Wir erwarten natürlich, dass eine für Sicherheit und Ordnung zuständige Behörde BürgerInnen, die einen möglichen Missstand anzeigen, an die Hand nimmt und dafür sorgt, dass die zuständige Behörde tätig wird.

Gülle wird auf den Feldern nicht nur wegen ihrer Düngewirkung ausgebracht, sondern auch, weil die Tierzüchter in der Regel dafür zahlen, dass sie ausgebracht wird. Das ist der seit Generationen übliche „Entsorgungsweg“.

Viele Landwirte brauchen das Geld, um über die Runden zu kommen, Tierzüchter brauchen kostengünstige Möglichkeiten, Gülle loszuwerden. So entstand das Geschäftsmodell der Güllemakler und -börsen.

Aus der Branche hört man, dass die anfallende Güllemenge jedes Jahr wächst, die landwirtschaftlichen Flächen zum Ausbringen aber nicht.

Probleme durch illegal ausgebrachte Gülle werden dadurch in Zukunft voraussichtlich immer öfter auftreten. Dabei ist eine mögliche Lösung so einfach!

Tatsächlich kann man aus Gülle auch durch Gärungsprozesse Biogas erzeugen und dabei einen großen Teil der Gifte und Medikamente abbauen. Der wirklich schlimme Klimakiller Methan würde in Heizwerken verbrannt und in Wärme, Strom und nicht ganz so kritisches CO2 verwandelt, aus dem verbleibenden Rest könnte man mit chemischen Prozessen richtigen Dünger herstellen.

Einzelne Landwirte machen das sogar schon. Wenn man nun den irrsinnigen Fleischkonsum und Tierzuchtbetriebe, bei denen am Ende drei Schnitzel für zwei Euro auf den Mark geworfen werden, überdenkt, haben wir plötzlich mit winzigen Einschränkungen unserer Lebensqualität viel Gutes für Klima, Tiere, Boden und Grundwasser getan.

Die Bilder stammen von Myriams-Fotos auf Pixabay und wurden unter CC0-Lizenz genutzt