Hintergrund: Die neue Grundsteuer – und ihre Mängel 12. Dezember 202412. Dezember 2024 Eine der großen und wichtigen Geldquellen einer Gemeinde ist die Grundsteuer. Besteuert wird hierbei der Grundbesitz. Wer ein teures Haus besitzt, soll mehr zahlen, als jemand, der ein preiswertes Haus besitzt. Dazu ermittelt das Finanzamt einen „Messbetrag“ genannten Wert, der den Wert des Grundbesitzes wiedergibt. Die Gemeinde beschließt dann einen Hebesatz, also einen Prozentsatz, mit dem alle Messbeträge im Ort multipliziert werden. Das Ergebnis ist die Grundsteuer. So wird sichergestellt, dass Bürger:innen, die mehr Vermögen haben, einen größeren Anteil an den Kosten des Gemeindelebens tragen, als Bürger:innen mit weniger Vermögen. Das alte System zur Berechnung des Messbetrags wurde jedoch 2018 als verfassungswidrig erkannt und vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Der Grund war unter anderem die Ungerechtigkeit des alten Systems. Zum einen wurden die Wohnhäuser von Landwirten nach der erheblich günstigeren „Grundsteuer A“ besteuert, wenn sie im Außenbereich auf den landwirtschaftlichen Flächen gebaut wurden. Das ist auch unter Landwirten ungerecht, denn bei viele Stadtbauernhöfen wurden die Wohnhäuser nach dem teureren Hebesatz der „Grundsteuer B“ für alle bebauten Grundstücke besteuert. Die alten Messbeträge wurden außerdem nie angepasst. Dadurch war der Messbetrag für ein 1900 oder früher gebautes Haus, das damals mit Kohle beheizt wurde und kein Bad hatte, deutlich niedriger als der eines Neubaus – auch, wenn das Haus von 1900 inzwischen eine Luxussanierung erhalten hat und daher einen höheren Marktwert hatte als der Neubau in Standardausführung. Das alles sind offensichtliche und massive Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus unserer Verfassung. Daher gelten nun neue Regeln zur Berechnung des Messbetrags. Die neuen Regeln sind prinzipiell geeignet, bezogen auf alle Grundstücke deutlich gerechter zu sein, indem sie die Grundsteuer am aktuell ermittelten, tatsächlichen Wert des Grundbesitzes festmachen und dies auch noch regelmäßig fortschreiben. Was aber nicht heißt, dass die neuen Regeln nicht auch in Einzelfällen zu Ungerechtigkeiten führen. So wurde nach dem alten System schwerpunktmäßig das Haus bewertet. Heute fließt auch der Wert des Grundstücks in die Berechnung ein. Gerade im ländlichen Raum sind innerorts noch einzelne Grundstücke mit Häusern aus der Vorkriegszeit bzw. bis in die 1950er Jahre vorhanden, die einen großen Garten haben, in dem zum Teil bis in die Nullerjahre noch Gemüse angebaut wurde. Das Grundstück ist aber komplett als Bauland ausgewiesen, was bislang für die Grundsteuer relativ unerheblich war. Jetzt wird aber nicht mehr nur das kleine und vielleicht seit 1980 nicht mehr nennenswert modernisierte Haus bewertet, in dem ein älteres Rentnerehepaar lebt, sondern auch die 800m² des ehemaligem Gemüsegartens, die komplett als Bauland ausgewiesen sind. Leider gibt es keine Reform ohne solche Fälle und es ist zu hoffen, dass noch Regelungen zum Erlass oder zur Stundung der Grundsteuer aus solchen sozialen Gründen geschaffen werden. Die Berücksichtigung des Grundstücks sorgt aber auch dafür, dass auf die einzelnen Wohnungen in Mehrfamilienhäusern im Vergleich zu früher weniger Grundsteuer bei gleicher Wohnfläche entfällt als auf Einfamilienhäuser, da die Grundstücksfläche pro Wohneinheit deutlich kleiner ist als bei einem Einfamilienhaus. Die vom Vermieter über die Nebenkosten abgerechneten Grundsteueranteile von Mietwohnungen sollten nach dem neuen System sogar sinken. Der Plan zum Umgang mit den neuen Messbeträgen war in Tönisvorst – wie in den meisten anderen Gemeinden – einen Hebesatz zu berechnen, durch den die Stadt dieselben Einnahmen hat wie vorher. Aufkommensneutraler Hebesatz ist das Stichwort. Die Stadt nimmt keinen Euro mehr ein, die Grundstücksbesitzer haben aber eine in den allermeisten Fällen gerechter verteilte Belastung. Sofern die Theorie. Denn: Durch die neue Berechnung sind alle Gewerbegrundstücke deutlich in ihrem Messbetrag gesunken. Wenn man den Hebesatz aufkommensneutral gestaltet, zahlen die Besitzer von Wohngrundstücken auf einmal deutlich mehr als die von Gewerbeimmobilien. Das hat das Land NRW schon bemerkt und eine Regelung erlassen, nach der Gemeinden für Wohn- und Gewerbeimmobilien getrennte Hebesätze beschließen dürfen, um das auszugleichen – ein geringerer Hebesatz für Wohngrundstücke und ein höherer für Gewerbegrundstücke. Aber nach einem Gutachten des Städte- und Gemeindebundes besteht ein deutliches Risiko, dass diese Regelung verfassungswidrig ist und Städte, die sie anwenden, am Ende die Grundsteuer ganz oder teilweise erstatten müssen. Da die Grundsteuer eine der großen Einnahmequellen einer Stadt ist, wäre das eine Katastrophe. Der städtische Haushalt würde am Ende komplett versenkt, freiwillige Leistungen wie das Schwimmbad, die Stadtbücherei, Jugendclubs oder qualifizierte Mitarbeitende in den Offenen Ganztagsschulen wären Geschichte, weil plötzlich das Geld fehlt. Der Tönisvorster Stadtrat hat am 11. Dezember daher mehrheitlich beschlossen, diese differenzierten Hebesätze – vorerst – nicht zu nutzen, zugleich aber den aufkommensneutralen Hebesatz von 577 Prozent einzuführen. Die aktuell höheren Grundsteuern für Wohngrundstücke sind nach Meinung der Mehrheit eine geringere Belastung für die Bürger:innen, als ein rechtlicher Schiffbruch mit den differenzierten Hebesätzen und den beschriebenen Konsequenzen für städtische Leistungen. Die Fraktionen hoffen, dass es schon 2025 Gerichtsurteile zu diesem Thema gibt und die differenzierten Sätze rechtlich Bestand haben werden.